Wie du eine sichere Bindung zu deinem Kind aufbaust
Inhaltsverzeichnis
Die Beziehung zwischen Eltern und Kind ist einzigartig. Sie ist voller Liebe, Herausforderungen und intensiver Momente. Als Mamas wünschen wir uns nichts sehnlicher, als dass unsere Kinder glücklich, selbstbewusst und geborgen aufwachsen. Doch wie gelingt das. Der Schlüssel dazu ist eine sichere Bindung. Sie ist das Fundament für dein Kind, um sein Leben sicher aufzubauen.
Was kannst du nun tun, um diese Bindung zu stärken? Hierzu haben die Wissenschaften rund um Neurobiologie, Epigenetik und Pädagogik in den letzten Jahren einiges herausgefunden. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse und Tipps, wie du dein Kind liebevoll und sicher begleiten kannst und so eine sichere Bindung zu ihm aufbauen kannst.
1. Was bedeutet sichere Bindung?
Bindung ist mehr als nur Nähe und Fürsorge. Sie ist wie ein unsichtbare Band zwischen dir und deinem Kind, das dein Kind wissen lässt: „Ich bin sicher. Ich bin geliebt. Ich bin willkommen, so wie ich bin.“
Das Bedürfnis nach dieser Bindung entsteht bereits im Mutterleib. Hier ist dein Kind durch die Verbindung zu dir sicher. Es erhält durch die Nabelschnur alles, was es zum Überleben braucht. Nach der Geburt wird die Nabelschnur gekappt, aber diese Grunderfahrung der sicheren Verbindung, wird zum Grundbedürfnis der sicheren Bindung. Im Reich der Säugetiere ist kein anderes Wesen so lange auf die Fürsorge von außen angewiesen, wie der Mensch. Deswegen ist eine sichere Bindung für Babies absolut überlebensnotwendig. Ohne einen Menschen, der sich um das Baby kümmert, es umsorgt und nährt, kann das Baby nicht überleben. Deswegen ist dein Kind von Geburt an instinktiv auf der Suche nach dieser Sicherheit. Es ist auf dich angewiesen, um die Welt zu verstehen und vor allem, um sich selbst zu verstehen. Die Art und Weise, wie du auf seine Bedürfnisse reagierst, prägt, wie es später mit Herausforderungen umgeht, wie es Vertrauen entwickelt und wie es sich in Beziehungen aller Art verhält.
Die Bindungserfahrung in den ersten Lebensjahren ist eine Blaupause für spätere Beziehungen.
Mary Ainsworth hat aufbauend auf der Arbeit von John Bowlby, dem Begründer der Bindungstheorie unterschiedliche Bindungsstile erforscht. Durch den „Fremde-Situations-Test“ (Strange Situation), der dazu diente, das Verhalten von Kleinkindern in Trennung- und Wiedervereinigungssituationen mit ihren Müttern zu beobachten, fand sie folgende unterschiedlichen Bindungsstile heraus:
Sichere Bindung
Das Kind ist ausgeglichen und der Welt zugewandt. Sein Bedürfnis nach Intimität und Autonomie wechseln sich ab. Es ist gemeinschaftlich und selbstbewusst. Ein Kind mit sicherer Bindung besitzt ein gutes Selbstwertgefühl und Wohlbefinden. Es kann seine Umwelt frei erkunden und ist sich bewusst, bei Rückschlägen aufgefangen zu werden.
Ein Erwachsener, der in der Kindheit eine sichere Bindung erlebt hat, glaubt, geliebt und akzeptiert zu werden, auch wenn ihm mal ein Fehler unterläuft. Er fühlt sich sowohl alleine, als auch mit Nähe wohl. Andere Menschen sieht er als Ressource und sucht Kontakt. Er ist teamfähig, reflektiert und weiß, ehrliche Rückmeldungen zu schätzen. Wenn zwei sicher gebundene Menschen miteinander kommunizieren, strömen Fürsorge, Bestärkung, Rat und Ermunterung bereitwillig in beide Richtungen.
Ein Elternteil, der in der Kindheit sichere Bindung erfahren hat, reagiert feinfühlig und aufmerksam auf die Bedürfnisse des Kindes. Er kann sich in die Welt des Kindes hineinversetzen und schafft es, überwältigende Gefühle zu regulieren. Eigene Gefühle zu reflektieren, fällt ihm nicht schwer.
Unsicher-ambivalente Bindung
Das Kind hat das Gefühl, nicht genug Aufmerksamkeit, Liebe und Zuneigung zu erhalten. Es ist unsicher und beunruhigt, empfindet das Leben als ungerecht. Andere Menschen erlebt es als unberechenbar, unbeständig oder unzuverlässig. Es hat Angst, dass sein Selbst nicht gesehen wird.
Ein Erwachsener, der in der Kindheit unsicher ambivalente Bindung erfahren hat, besitzt ein schwaches Selbstwertgefühl und ein negatives Selbstbild. Er hat Angst, dass andere Menschen das Interesse an der eigenen Person verlieren könnten. Er sucht Kontakt und Bestätigung, aber widersetzt sich auch gleichzeitig – „Nicht mit dir und nicht ohne dich“. „Wenn ich dir auf demonstrative Weise meine Liebe zeige, musst du es mir auf ebenso übertriebene Art und Weise gleichtun – andernfalls werde ich an deiner Liebe zweifeln.“
Ein Elternteil, der unsicher-ambivalente Bindung erfahren hat, vermittelt Doppelbotschaften, d.h. er wechselt von Überfürsorge zu Zurückweisung. Er ist emotional nicht ausreichend verfügbar. Hat eigene Traumata nicht verarbeitet. Um die Liebe und Intimität nicht zu verlieren, verhindert er, dass das eigene Kind selbstbestimmt wird.
Unsicher vermeidend gebunden
Das Kind hat gelernt, dass negative Gefühle wie Bedürftigkeit, Angst oder Aufregung nicht zu Schutz oder Trost von der Bindungsperson führen. Es versucht Emotionen im inneren alleine zu bewältigen und stets alles richtig zu machen. Es zeigt ein nach außen fröhliches „falsches“ Selbst.
Ein Erwachsener, der in der Kindheit unsicher vermeidende Bindung erfahren hat, vermeidet Gefühle oder spielt sie herunter. Nach seiner Überzeugung ist Anerkennung nur durch gute Leistungen zu bekommen. Er hat Schwierigkeiten, Verletzlichkeit zu zeigen und um Hilfe zu bitten. Er ist stets unsicher, ob andere Personen ihn mögen.
Ein Elternteil, der in der Kindheit unsicher vermeidende Bindung erfahren hat, zeigt sich distanziert und vermeidend. Emotionale Forderungen des Kindes lösen Ängste, Wut oder Verärgerung aus. Er vermittelt, dass „gute Kinder“ keine Probleme verursachen oder Forderungen an ihre Eltern stellen. Typisch ist für ihn, dass er sagt: “ Das ist doch bloß ein Kratzer. Mach keinen Aufstand. Tu es selbst. Komm darüber hinweg. Das würde ich jedenfalls tun.“
Unsicher desorganisierte Bindung
Sie entsteht oft bei traumatischen Erfahrungen und zeigt sich durch widersprüchliche Verhaltensweisen.
Das Kind verlangt gleichzeitig nach Nähe und Ablehnung. Es fühlst sich einsam, wertlos, verängstigt, als schlechter Mensch.Es versucht, für sich selbst zu „sorgen“. Andere Personen empfindet es als unkontrollierbar. Es fühlt sich für das Verhalten der Eltern verantwortlich und schuldig. Es ist das Kind, das die Nähe zu der Bindungsperson zulassen muss, obwohl sie es ist, die dem Kind Angst eingeflößt hat.
Der Erwachsene, der in der Kindheit unsichere desorganisierte Bindung erfahren hat, ist oft traumatisiert und besitzt ein hohes Risiko für psychische Störungen. Er fürchtet sich vor Zurückweisung und sehnt sich gleichzeitig nach Intimität. Er stürzt sich erst in Beziehungen, um sich nach kurzer Zeit wieder zurückzuziehen aus Angst, verletzt oder verlassen zu werden.
Bei einem Elternteil, der in der Kindheit unsicher desorganisierte Bindung erfahren hat, aktivieren Bedürftigkeit und Bindungswunsch des Kindes eigene unverarbeitete Traumata. Er zeigt angsteinflößendes, feindseliges, misshandelndes oder hilfloses Verhalten und verliert die Kontrolle oder entzieht sich wichtigen Erziehungsaufgaben.
Das Ziel von bedürfnisorientierter Erziehung ist, eine sichere Bindung zum Kind herzustellen. Eine sichere Bindung gibt dem Kind das Gefühl: „Ich bin in Ordnung, genau so wie ich bin.“
2. Warum die Erfüllung von Grundbedürfnissen wichtig ist
Kinder brauchen mehr als Nahrung und Schlaf. Sie brauchen Nähe, Wärme und das Gefühl, dass ihre Gefühle und Bedürfnisse gesehen werden. Jedes Mal, wenn du auf das Weinen deines Kindes reagierst, ihm Trost spendest oder ihm liebevoll erklärst, warum etwas gerade nicht geht, stärkst du dieses Band der sicheren Bindung zu deinem Kind.
Für eine sichere Bindung braucht es die Erfüllung der Grundbedürfnisse, die als Grunderfahrung bereits im Mutterleib entstehen:
Wenn du diese Bedürfnisse regelmäßig erfüllst, baut dein Kind eine sichere Bindung zu dir und sich selbst auf. Es lernt selbstbestimmt zu wachsen und fasst Vertrauen zu seinen Mitmenschen. Erfahre hier mehr dazu.
3. Dein Verhalten formt das Nervensystem deines Kindes
Hast du gewusst, dass die Art und Weise, wie du mit deinem Kind sprichst und es berührst, sein Nervensystem formt?
Oxytocin – das Kuschelhormon
Jedes Mal, wenn du dein Kind liebevoll umarmst, wird Oxytocin frei gesetzt. Dieses Hormon stärkt die Bindung und sorgt dafür, dass sich dein Kind geborgen fühlt. Ein hoher Oxytocinspiegel verbessert sein soziales Verhalten. Je vertrauensvoller und feinfühliger die Zuneigung der Eltern zu ihren Kindern ist, umso stabilere und gesündere Beziehungen wird das Kind auch in seinem Erwachsenenalter führen.
Co-Regulation
Die Fähigkeit zur Co-Regulation ist uns angeboren und hilft Babies und Kleinkindern, die noch keine Selbstregulationsfähigkeit entwickelt haben, sich über das Nervensystem ihrer Bezugspersonen zu regulieren.
Dies können wir zum Beispiel an kleinen Kindern beobachten: Fällt das Kind hin, schaut es oft als erstes zur Bezugsperson, um dann zu entscheiden, ob es jetzt anfängt zu weinen oder ob alles in Ordnung ist. Wenn die Bezugsperson panisch reagiert, d.h. wenn ihr Nervensystem in die Gefahrenzone springt, dass wird diese Reaktion von dem Baby übernommen und sein Nervensystem folgt nach, weshalb das Kind nun auch Angst bekommt. Umgekehrt bleibt das Kind aber auch entspannt, wenn es die Bezugspersonen sind. Co-Regulation ist wichtig bis das Kind die Fähigkeit zur Selbstregulation entwickelt hat. Diese Selbstregulationskompetenz ist zu großen Teilen davon beeinflusst, was dem Kind an Regulation von Bezugspersonen vorgelebt wurde. Sie entwickelt sich bis ins Erwachsenenalter.
Hast du das Gefühl, dass dein eigenes System schnell in Stress gerät und du nicht in der Lage bist, dich selbst zu regulieren geschweige denn dein Kind zu co-regulieren, melde dich hier für ein Kennenlernen. In meinem Coaching geht es genau darum. Erst, wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse wieder wahrnehmen und uns selbst regulieren können, können wir der Anker sein, den unsere Kinder brauchen, um in Sicherheit die Welt erkunden zu können. Denn das Erlernen der Selbstregulationsfähigkeit ist kein Prozess, der abgeschlossen ist, wenn wir erwachsen sind. Es ist immer noch möglich, diese Fähigkeit zu erlernen.
5. Praktische Tipps für den Alltag
Es sind die kleinen Dinge, die den Unterschied machen. Hier ein paar einfache, aber wirkungsvolle Tipps:
Manchmal reicht es, einfach nur zuzuhören. Nimm dir die Zeit, wirklich zu verstehen, was dein Kind bewegt. Lade es hierfür auf eine Tasse Kakao ein und mach in der Zeit nichts anderes. Trinkt ganz gemütlich euren Kakao und sprecht miteinander. Wichtig ist, dass du offen zuhörst und nicht gleich mit Lösungen um die Ecke kommst. Bleib mit deiner Aufmerksamkeit ganz bei deinem Kind und seinem Empfinden. Das wird sein Selbstbewusstsein stärken und eine tiefe Verbundenheit zwischen euch hervorrufen.
Kinder lieben Rituale. Ob es das gemeinsame Frühstück ist oder das Vorlesen vor dem Schlafengehen. Rituale geben Sicherheit und fördern die Bindung zwischen euch. Auch vor dem Schlafengehen ist eine gute Zeit, um die Ereignisse des Tages Revue passieren zu lassen. Hier gilt genauso: Offen Zuhören ohne gedanklich schon beim nächsten Schritt zu sein oder Lösungen anzubieten.
Spiele sind nicht nur Spaß, sondern auch eine Möglichkeit, Nähe und Vertrauen aufzubauen. Lass dein Kind die Führung übernehmen. Leg alle Arbeit und das Handy auf Seite und genieße die gemeinsame Zeit.
Setze deine Grenzen bestimmt und authentisch, aber mit Liebe. Erkläre deinem Kind, warum bestimmte Regeln gelten und biete Trost, wenn es ihm schwer fällt, diese zu akzeptieren. Wenn du deine Grenzen kennst und diese immer wieder authentisch setzt und erklärst, gibst du deinem Kind die Möglichkeit, zu lernen, wie es seine eigenen Grenzen wahrnimmt und setzt.
6. Herausforderungen meistern
Mit Kindern werden wir immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. Ist die eine Phase zu Ende beginnt schon wieder eine Neue. Besonders herausfordernd sind Trennungen und Trotzphasen. Bei Trennungen ist es wichtig, dass du dein Kind vorbereitest und diese bewusst gestaltet. Ein liebevolles „Ich komme wieder“ und ein vertrauter Gegenstand, der Sicherheit gibt, können helfen.
Wenn dein Kind wütend ist, versuche ruhig zu bleiben. Wut ist eine Emotion, die sich anstaut. Oft steckt dahinter ein ganzer Cocktail anderer Emotionen. Wut ist nur der Gipfel des Eisberges, unter dem sich Ärger, Schmerz, Angst und/oder Trauer verbergen können. Diese Emotionen zeigen sich, wenn die Grundbedürfnisse nach Sicherheit, Verbundenheit und autonomen Wachstum langfristig oder immer wieder verletzt werden. Versuche deshalb auf Forschungsreise zu gehen, weshalb dein Kind wütend wird. Versuche es zu verstehen und ihm zu zeigen, dass du da bist. Unsere Kinder müssen erst lernen, ihre Emotionen zu regulieren. Dafür brauchen sie uns Erwachsene, die sie dabei liebevoll und verbunden begleiten. Merkst du, dass du durch die Wut deines Kindes getriggert wirst und es dir schwer fällt, hier ruhig zu bleiben? Es gibt einen Raum zwischen Reiz und Reaktion, in dem du die Entscheidung fällen kannst, wie du reagierst, aber es braucht etwas Übung und Bewusstsein, um in diesen Raum eintauchen zu können und innezuhalten, bevor man unüberlegt reagiert. Dieses Bewusstsein und die Entspannung dafür lernst du in meinem Coaching.
7. Langfristige Auswirkungen einer sicheren Bindung
Eine sichere Bindung ist das größte Geschenk, das du deinem Kind machen kannst. Sie wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus.
Kinder mit sicherer Bindung sind oft glücklicher und können besser mit Stress umgehen. Sie bauen leichter sichere Beziehungen auf und gehen emphatisch mit ihren Mitmenschen um. Ein Kind, das sich geliebt fühlt, entwickelt ein starkes Selbstbewusstsein. Eine sichere Bindung gibt deinem Kind die Freiheit, die Welt mutig zu erkunden.
Es sind am Ende es Tages die kleinen Momente, die zählen.
Vielleicht fühlst du dich manchmal überfordert oder zweifelst daran, ob du alles richtig machst. Das ist ganz normal. Aber denk dran: Es sind die vielen kleinen, liebevollen Momente im Alltag, die eine sichere Bindung ausmachen. Auch Fehler machen gehört dazu. Siehst du diesen später ein und spiegelst deinem Kind, dass du Fehler machen darfst, dich dafür entschuldigen und diesen wieder gut machen kannst, stärkt das die Bindung zwischen euch. Es zeigt dem Kind, dass es nicht schlimm ist, Fehler zu machen, sondern dass man sie auch wieder gut machen kann.
Wenn du deinem Kind immer wieder zeigst, dass du da bist, wenn es dich braucht, schenkst du ihm ein wertvolles Fundament für sein Leben. Bleib geduldig, vertraue dir selbst und sei einfach da – so wie du bist. Das reicht. Dein Kind spürt diese Liebe.
Fällt es dir manchmal schwer, aus den alten Mustern auszubrechen und spulst du ungeliebte Muster aus deiner Kindheit regelmäßig ab, verurteilst dich danach, nimmst dir vor, das nicht mehr zu machen? In stressigen Situationen passiert es aber wieder? Lies dir hier meinen Artikel durch, warum wir diese Muster nicht einfach abschalten können: https://christina-albig.de/beduerfnisorientierte-erziehung-im-alltag/
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