Geburt und Bindung
Wie der Start ins Leben unsere Beziehungen prägt
Geburt und Bindung sind untrennbar miteinander verbunden. Wie eine Geburt erlebt wird – körperlich, emotional und sozial – hat tiefgreifenden Einfluss auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind. Wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Neurobiologie, Epigenetik und Bindungsforschung zeigen: Die erste Zeit ist entscheidend für emotionale Stabilität und Beziehungsfähigkeit – ein Leben lang.
Als ich schwanger wurde, war ich sehr entspannt. Ich war der festen Überzeugung, dass alles gut gehen wird und lächelte über die Muttis, die sich verrückt machten. Auch der Geburtsvorbereitungskurs hat mir nichts anderes vermittelt. Hier habe ich viel gelacht, weil die Hebamme einen tollen Humor hatte. Sie war sehr auf der Seite der Mamas und hat sich sehr um unser Wohl vor und während der Geburt gesorgt.
Gleichzeitig habe ich vor der Geburt meiner Kinder noch nie etwas über die Bindungserfahrungen, die in der Zeit der Schwangerschaft, der Geburt und im Wochenbett gemacht werden und den Rest des Lebens prägen, gehört. Hätte ich hierzu im Geburtsvorbereitungskurs oder in einem anderen Rahmen mehr erfahren, hätte ich wahrscheinlich das ein oder andere anders entschieden. Deswegen möchte ich hier für alle, die schwanger sind, es noch werden wollen oder schon Kinder haben, ein wenig dazu erzählen, wie wichtig die Schwangerschaft und Geburt sowie die ersten Wochen für die Bindungserfahrungen des Kindes in seinem ganzen Leben sind. Und ich möchte denen Hoffnung machen, die das Gefühl haben, dass ihre Geburt nicht förderlich für die Bindung war. Es ist nie zu spät, das nachzuholen.
Selbst mit dem Wissen um die Wichtigkeit der Bindung kann einiges anders laufen während der Geburt oder danach. Mir geht es hier nicht darum, zu urteilen oder Entscheidungen zu kritisieren. Mir geht es darum, aufzuklären, so dass bewusste Entscheidungen getroffen werden können.
Ein Beispiel aus meiner Erfahrung: Die Geburt unserer Tochter war hart und hat mich sämtliche Kräfte gekostet. Das Angebot der Schwester, meine Tochter am nächsten Tag mit ins Säuglingszimmer zu nehmen, damit ich ein wenig zur Ruhe kommen kann, habe ich dankend angenommen. Mit dem heutigen Wissensstand hätte ich mein Kind nicht alleine auf dem Säuglingszimmer gelassen und eine andere Möglichkeit gefunden, etwas Ruhe zu bekommen.
Die gute Nachricht: Es ist nie zu spät, sich um gute Bindungserfahrungen für dich und deine Kinder zu kümmern. Die ganze Kindheit dreht sich darum, zwischen Bindung und Autonomie zu pendeln. Wenn du beim Lesen des Artikels merkst, dass dir einiges nicht bewusst war und du das gerne vorher gewusst hättest, kannst du ab heute beginnen, bewusste Entscheidungen zu treffen. Seit mir die Zusammenhänge unserer Verhaltens mit dem Beziehungsverhalten unserer Kinder bewusst sind, fließt dieses Wissen in jede meiner Entscheidungen mit ein. Beim Schulbeginn unserer Tochter konnte ich sie beispielsweise durch viel Nähe und Unterstützung durch die für sie herausfordernde Zeit begleiten. Jede gemeinsame Erfahrung hat das Potential, das Bindungssystem unserer Kinder zu schwächen oder bei vorhandenem Bewusstsein der Eltern zu stärken.
Das Bindungshormon Oxytocin
Bei der Geburt spielt das Bindungshormon Oxytocin eine zentrale Rolle. Es wird sowohl bei Mutter als auch beim Baby (und sogar beim Vater) ausgeschüttet und fördert Vertrauen, Nähe und Liebe. Haut-zu-Haut-Kontakt direkt nach der Geburt, Stillen nach Bedarf und liebevolle Zuwendung sind die Basis für eine sichere Eltern-Kind-Bindung.
Die Geburt sowie die Zeit danach, die dazugehörende Nähe, liebevolle Aufmerksamkeit und die Berührung sind ein Grundbaustein für das spätere soziale Verhalten des Kindes.
In der Zeit der Entbindung steigt der Oxytocinspiegel der Mutter deutlich an. Dadurch wird die Kontraktion der Gebärmutter ausgelöst. Oxytocin ist auch an der Schmerzlinderung beteiligt.
Allerdings gibt es einige gängige Praktiken während der Geburt, die die Bildung natürlichen Oxytocins stören.
❌Bei einem Kaiserschnitt liegt die Mutter nur kurz in den Wehen. Das kann dazu führen, dass nur sehr wenig Oxytocin ausgeschüttet wird.
❌Bei einer PDA werden leitende Nerven des Rückenmarks gehemmt. Somit wird deutlich weniger Oxytocin ausgeschüttet.
❌Die Verabreichung von synthetischem Oxytocin zur Einleitung der Geburt kann das körpereignen Oxytocinsystem der Mutter stören. Es gibt Hinweise, dass Frauen, die hohe Dosen bei der Geburt bekommen haben, am zweiten Tag Probleme mit der Produktion des körpereigenen Oxytocins hatten und so der Milchspendereflex nicht funktionierte. Auch erhöht sich das Risiko für postpartale Depressionen und Angststörungen der Mutter im ersten Lebensjahr des Kindes.
Sollte dennoch ein medizinisch notwendiger Kaiserschnitt nötig sein, kann die Oxytocinausschüttung und damit die Bindung auch nach der Geburt genährt werden.
Die Wichtigkeit von Nähe und Berührung nach der Geburt
💞Durch Nähe und Berührung sowie engem Hautkontakt nach der Geburt wird die Oxytocinbildung gefördert und damit die Bindung zwischen Baby und Eltern gestärkt. Die Zeit nach der Geburt ist die Grundlage für die Beziehungsmuster des Kindes in seinem ganzen Leben.
Aber auch hier läuft leider nicht immer alles glatt.
In vielen Krankenhäusern ist es noch normale Vorgehensweise, der Mutter nach der Geburt Ruhe zu gönnen und die Neugeborenen in ein Säuglingszimmer zu bringen. So war es auch bei uns der Fall. Die Neugeborenen sind dann einige Stunden alleine und von der Mutter getrennt. Das kann für das Nervensystem der Kinder erhöhten Stress bedeuten. Eben war noch alles sicher, sie waren beschützt und eng verbunden in der Gebärmutter. Dann kommt die Geburt, die für die an sich schon Stress bedeutet. Nicht selten kommen Saugglocken zum Einsatz und sie werden förmlich aus ihrem sicheren Nest gerissen. Alles ist neu, alles ist unsicher. Ihr sicherer Kokon existiert nicht mehr. Das Einzige, was noch bekannt ist, ist der Duft und der Sound von Mama. Ein Baby braucht nach der Geburt ganz viel Nähe. Diese kann auch Papa oder ein anderer Mensch geben, wenn es den Eltern aus Umständen der Geburt nicht möglich ist. Wichtig ist, das Baby nicht alleine mit seinem aufgewühlten Nervensystem zu lassen. Das Kind braucht die enge Verbindung zur Mutter, um sein Nervensystem zu beruhigen. Das gilt für die ersten Lebensjahre. Hier reguliert das Baby sein Nervensystem über die Co-Regulation zur Mutter.
Doulas – ein Weg, die Bindungserfahrung zu fördern
💞Ein Weg, den natürlichen Oxytocinausstoß bei der werdenden Mutter während der Geburt und damit die Bindung zu fördern, sind sogenannte Doulas. Eine Studie hat ergeben, dass die Mütter, die bei der Geburt von Doulas begleitet wurden, im Schnitt weniger Komplikationen hatten, weniger Kaiserschnitte hatten und es wurde weniger synthetisches Oxytocin verabreicht. Die Mütter hatten eine positivere Geburtserfahrung und waren noch begeisterter von ihrem Kind. Sie waren seltener depressiv. Eine Doula kann eine Freundin sein, die vor und nach der Geburt unterstützend wirkt und während der Geburt emotionale und körperliche Unterstützung gibt, auch durch Berührung. Oder beruflich darauf spezialisierte Doulas. Die körperliche und seelische Unterstützung der Doula führt bei der Mutter zu einem natürlichen Oxytocinausstoß während der Geburt. Ihre durchgehende Nähe führt zu Vertrauen und Ruhe. Der Stresspegel sinkt stärker durch das angeregte Oxytocinsystem, die erste Wehenphase und die Presswehen können sich so verkürzen. Auch die Schmerzwahrnehmung wird verringert.
Die meisten Mütter haben sich bereits zwei Tage nach der Geburt voll und ganz auf die Fürsorge für ihr Kind eingestellt. Nach der eigenen subjektiven Wahrnehmung fühlen sie sich weniger ängstlich, entspannter, sozial offener und bevorzugen mehr Ruhe und weniger Abwechslung.
Die Bedeutung von Stillen
💞Bei jedem Stillvorgang wird Oxytocin ausgeschüttet. So wird die intensive Bindung entwickelt.
Die Mutter wird dadurch kommunikativer, ruhiger und ist sensibler für die Bedürfnisse des Kindes. Der Cortisolspiegel und damit der Blutdruck senken sich. Der Magen-Darm-Trakt wird angeregt und damit Nährstoffe, die für das Kind wichtig sind, besser verwertet.
Deswegen ist es wichtig, das Kind, wenn es möglich ist, zu stillen. Hier entsteht eine Bindung, die für den Rest der Kindheit und das Leben prägend ist.
Auswirkungen auf Mutter und Kind
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass ein gesundes Oxytocinsystem für Kinder wichtig ist, dass sie sich geborgen und sicher fühlen, weniger Angst haben, sich wohler fühlen und schneller an die Mutter binden.
Mütter, die nach der Geburt und in der folgenden Zeit intensiven Kontakt zu ihrem Kind hatten, können leichter erkennen, was ihr Kind braucht, entwickeln ein stärkeres Gefühl der Fürsorge, haben mehr Blickkontakt zum Kind, lächeln ihr Kind häufiger an und sprechen liebevoller mit dem Kind. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Mutter ihr Kind verlässt oder gar misshandelt, ist deutlich geringer.
💞Diese Phase hat also eine deutliche Auswirkung auf die gesamte Entwicklung des Kindes. Das Sozialverhalten ist besser, der Umgang mit Stress im Erwachsenenalter, das Vertrauen in andere Menschen, die Kommunikation zwischen Kind und Eltern und gleichzeitig nimmt das Risiko für Depressionen und Beziehungsprobleme ab.
Wenn jedoch die Eltern selbst in der Kindheit keine guten Bindungserfahrungen gemacht haben, kann sie das auch daran hindern, eine gute Bindung zu ihrem Kind aufzubauen. Manchen ist das so gar nicht bewusst oder wird es erst in der Beziehung zu ihren Kindern bewusst. So ist es mir ergangen. Meine Eltern wollten das Beste für mich und haben immer ihr Bestes gegeben, aber durch die Erfahrungen ihrer Kindheit, war es ihnen gar nicht möglich, mir eine sicher gebundene Kindheit zu schenken.
Mir wurde das bewusst, als ich selbst nicht die Mutter sein konnte, die ich gerne sein wollte.
Vielleicht möchtest du auch mal Kinder oder bist gerade schwanger und willst dich deiner der Vergangenheit stellen, um deinem Kind die Mutter zu sein, die es braucht, um in seinem Leben gesunde Beziehungen zu knüpfen.
Vielleicht bist du schon Mama und merkst, dass es dir im Alltag schwerfällt, für deine Kinder voll und ganz da zu sein.
Vielleicht seid ihr auch gerade in einer Situation wie Kita-Eingewöhnung oder Schulanfang. Hier kommen oft die Trennungsängste zum Vorschein, die durch die Umstände um die Geburt herum entstanden sind. Bis jetzt war dein Kind total entspannt und du hattest das Gefühl, dass es absolut bereit ist für die Kita und nun funktioniert gar nichts.
Hier kannst du wunderbar über Co-Regulation arbeiten und deinem Kind die Sicherheit geben, die ihm fehlt. Wenn die Situation dich aber auch aufwühlt und dein Nervensystem dereguliert ist, kannst du deinem Kind nicht die Sicherheit und Kraft geben, die es braucht, um den Übergang gut zu meistern.
Hierfür bin ich da. Ich unterstütze dich, dein Nervensystem durch körperorientiertes und traumasensibles Coaching zu regulieren. In erster Linie für dich. Wenn du in deiner Kraft stehst, kannst du die Gefühlsstürme deines Kindes auffangen. Melde dich hier für ein Kennenlernen und mach dich auf den Weg zu gesunden Beziehungen zu dir, deinen Kindern und deiner Familie. Hier erfährst du mehr zu meinem Coaching.